Telefonvermittlung in Schrift und Gebärdensprache: Mit Tess können Gehörlose seit 2005 telefonieren

Deutsche Gesellschaft: Telefonieren für Gehörlose ist zu teuer

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Weg mit Grundgebühr und Minutenpreisen: Gehörlose sollen weniger für das Telefonieren über Tess zahlen. Dies fordert die Deutsche Gesellschaft der Hörbehinderten – Selbsthilfe und Fachverbände e.V. (ehemals: Deutsche Gesellschaft der Hörgeschädigten, kurz: DG). In einem öffentlichen Schreiben, das die DG am 17. September online veröffentlichte, fordert sie den Wegfall der Tess-Grundgebühr in Höhe von 5 Euro bei privater Nutzung und außerdem den Wegfall der Minutenpreise (derzeit 0,14 bzw. 0,28 Euro). Damit greift die DG eine der zentralen Kritikpunkte, die seit Jahren vorgetragen werden, auf.

Das DG-Schreiben ging unter anderem an die Bundesminister für Wirtschaft und Energie sowie für Arbeit und Soziales. Anlass dazu ist eine neue Ausschreibung von der Bundesnetzagentur für die Errichtung eines Telefonvermittlungsdienstes in den nächsten vier Jahren (Januar 2019 bis Dezember 2022). Bislang waren die Tess Relay Dienste der einzige Dienstleister. 2005 wurde ihr Telefonvermittlungsdienst als Pilotprojekt errichtet. Seit 2009 im Regelbetrieb, wird der Dienst von der Bundesnetzagentur in Phasen von mehreren Jahren öffentlich ausgeschrieben. Die Nutzungspreise werden dabei von der Bundesnetzagentur vorgegeben.

„Wir wissen von einer großen Anzahl hörbehinderter Menschen, dass sie die Grundgebühr sowie die jeweiligen Minutenpreise als zu hoch einschätzen und deshalb den Vermittlungsdienst nicht in Anspruch nehmen“, stellt die DG fest. Durch diese Kosten müsse ein gehörloser Mensch deutlich mehr fürs Telefonieren bezahlen als ein hörender. Deshalb würden diese Mehrkosten aus Sicht der DG keine volle Teilhabe bedeuten, „sondern allenfalls eine eingeschränkte Teilhabe!“, heißt es in dem Schreiben. Die DG sieht eine „Benachteiligung“ hörbehinderter Menschen und weist auf die UN-Behindertenrechtskonvention hin, die „angemessene Vorkehrungen fordert, um Ungleichbehandlungen zu begegnen“.

Zudem kritisiert die DG die unterschiedlichen Minutenpreise für Schrift- (0,14 Euro) beziehungsweise Gebärdensprachdolmetscher (0,28 Euro). Dies benachteilige Menschen, welche die Schriftsprache nicht ausreichend beherrschen. In anderen Ländern können Gehörlose, so die DG, vergleichbare Telefonvermittlungsdienste kostenfrei nutzen – etwa in den USA oder in der Schweiz. In der neuen Ausschreibung von der Bundesnetzagentur ist bereits eine Abschaffung der Tess-Grundgebühr bei privater Nutzung vorgesehen, was die DG begrüßt. Allerdings könne sich das noch „nach referatsinterner Entscheidung ändern“.

Außerdem fordert die Deutsche Gesellschaft Änderungen am Telekommunikationsgesetz (TKG), um Gehörlosen einen komplett barrierefreien Notruf zu ermöglichen. Seit dem 1. Juli 2018 wurde durch Änderungen am TKG ermöglicht, Tess-Anrufe rund um die Uhr zu tätigen und somit auch den kostenlosen Notruf zu nutzen. Laut der DG wird der kostenlose Notruf von Tess auf freiwilliger Basis angeboten. Sorge macht sich die DG, wenn die Bundesnetzagentur sich für die nächste Phase für einen anderen Anbieter als Tess entscheidet. Ein anderer Dienstleister könnte Notrufverbindungen nicht mehr freiwillig in dieser Form bereitstellen, heißt es in dem Schreiben.

Die bisherigen TKG-Verbesserungen gehen der DG außerdem nicht weit genug. Sie weist auf noch offene Forderungen aus der Notruf-Resolution vom 24. Oktober 2016 hin. Neben der DG wurde diese Resolution auch vom Deutschen Gehörlosen-Bund und dem Deutschen Schwerhörigenbund unterzeichnet. Gefordert sind unter anderem eine direkte Notrufverbindung zur zuständigen Leitstelle und die Möglichkeit, Notrufe sowohl in Schrift- als auch in Gebärdensprache senden zu können. Auch auf die Einführung einer barrierefreien Notruf-App wird weiterhin bestanden.

Die Deutsche Gesellschaft ist Dachverband bundesweiter Verbände und Institutionen, die sich um das Wohl der gehörlosen, schwerhörigen, ertaubten und taubblinden Menschen bemühen. Außerdem ist sie Gesellschafterin von Tess. Mit diesem bundesweiten Telefonvermittlungsdienst können gehörlose und hörgeschädigte Menschen telefonieren – wahlweise in Gebärdensprache oder Schriftsprache. Laut der Bundesnetzagentur vorliegenden Zahlen sind die Tess-Kundenzahlen in den letzten Jahren gestiegen: Waren es 2014 noch insgesamt 838 Kunden, zählte Tess 2017 bereits 1.378 Kunden. Von diesen 1.378 Kunden nutzten rund 70 Prozent den Dienst privat und etwa 10 Prozent für berufliche Gespräche. Bei dem Rest (knapp 20 Prozent) handelte es sich um Personen, die sich ausschließlich für die kostenlose Notrufmöglichkeit registriert hatten.

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