Sein „bewegtes Leben“ hat nun ein Ende gefunden. Volkmar Jaeger ist nur wenige Tage nach seinem 91. Geburtstag gestorben. Am 9. Februar 2019 starb der Fotograf, Grafiker und Buchautor. Dies teilte sein Verleger mit.
Geboren wurde er am 2. Februar 1928 als Sohn eines Arztes und einer Sängerin. Mit drei Jahren ertaubte er. Seine Eltern akzeptierten ihn schnell als Augenmenschen und kommunizieren visuell mit ihm. Er überlebte den Zweiten Weltkrieg, konnte in der DDR seine Künstlerkarriere nicht ausleben, da er dem Regime ein „Dorn im Auge“ war, wie es in seinem Lebenslauf heißt. Am aktivsten war er dennoch in den 50er und 60er Jahren des letzten Jahrhunderts. Er wirkte im Leipziger Künstlerkollektiv „gruppe“ und kurz auch in der „action fotografie“ mit. 1961 zog er sich aus der Kunstszene zurück und arbeitete als Werbegrafiker, Dekorateur und auch als Programmierer. Als die Montagsdemonstrationen in den 80er Jahren das Ende der DDR einläuteten, wurde er wieder aktiv. Er fotografierte in seiner Heimatstadt Leipzig die Protestaktionen und stellte seine Kunst wieder aus. 1990 entdeckte Jaeger im englischen Brighton seine taube Identität und begriff die Gebärdensprache als eigenständige Sprache. Dies gab den Startschuss für sein Engagement für Gehörlose.
2008 erhielt Jaeger vom Deutschen Gehörlosen-Bund (DGB) für sein Lebenswerk den Kulturpreis. 2012 folgte die Goldene Ehrennadel des DGB. Ein Jahr später wurde erstmals ein Bildband seiner Fotografien veröffentlicht: Ich sehe den Menschen, ich höre ihn nicht. Das Buch zeigt auf 200 Seiten Bilder, auf denen Jaeger den Betrachter „hautnah“ am Leben im zerstörten Nachkriegsdeutschland teilhaben lässt. 2018 kam seine Autobiografie unter dem Titel Mein bewegtes Leben (rezensiert in der DGZ 10 | 2018) heraus. Der zu diesem Zeitpunkt 90-Jährige berichtete von seinen Erfahrungen in der Nazizeit, der DDR und schließlich der BRD. Daneben gibt es viele seiner im typischen Schwarzweiß gehaltenen Bilder zu sehen. Seinen Lebensabend verbrachte Jaeger mit seiner Frau Astrid, genoss die Natur und die frische Luft und las viel.
Im Gespräch mit der DGZ 2017 kurz vor seinem 90. Geburtstag war er zuversichtlich, was die Zukunft der Gehörlosengemeinschaft betrifft. Jaeger wünschte sich, dass die taube Gesellschaft sich so entwickelt, dass sie gegenüber der hörenden Gesellschaft auf Augenhöhe steht – dank des moralischen, politischen und technischen Fortschritts. „Ich glaube, dass diese Entwicklung schon seit der Anerkennung der Gebärdensprache begonnen hat und fortdauert.“
Die Sehen statt Hören-Sendung zur Veröffentlichung seiner Autobiografie kann hier angeschaut werden:
8 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Große Verlust und bleibt Erinnerung !
Herzliche Beileid
Volkmar hat unsere Kultur und Gemeinschaft ganz schön hintergelassen. Ich habe gerne mit ihm in DGS untergehaltet. So viele Lebensgeschichte kann er über die geteilte und wiedervereinte Land erzählen. Im Himmel wird er ganz bestimmt weiter mit Jochen Muhs vertiefende Geschichte gebärden.
Ruhe in Frieden, Volkmar
Volkmar bleibt unvergesslich! Er hatte nicht nur ein bewegtes Leben,
sondern setzte auch vieles in Bewegung in der Gehörlosengemeinschaft.
Bis zuletzt hatte er (trotz Krankheit) viel Humor und Zuversicht!
Auch von mir ein herzliches Beileid! Als ich diese Person kurz nach dem Mauerfall 1990 in Leipzig kennen gelernt habe, habe ich schon als große Persönlichkeit geschätzt! RIF, Volker!
Mein Beileid und viel Kraft seiner Familie! Danke, dass ich dich kennenzulernen durfte!
Volkmar ist selten Menschen, kämpfer für Gehörlosengemeinschaft in Freiheit im Ostdeutschland vor dem Mauerfall 1989 mit Fotografie begleitet. Er hat 2 mal des Buch mit Autor und fotobilder ausgaben geschafft. Wir vermissen ihm sehr und im Frieden Geiste gelassen. Vergessenheit wir ihm nicht ewig. Herzliche beileid ihr Frau Astrid und Familien .
Ich durfte Volkmar ein paar Jahre kennenlernen und würde für mich ein geschätzter Freund immer ein freundlicher netter Mensch
[…] Dieser Artikel erschien ursprünglich in der DGZ NEWS. […]