Drei österreichische Verbände haben sich in Stellungnahmen deutlich gegen den Einsatz von Gebärdensprachavataren ausgesprochen. Den Anfang machte der Verband für angewandte Linguistik (Verbal). Am 16. Juni veröffentlichte der Verband eine ausführliche Stellungnahme aus „soziolinguistischer Perspektive“, wie es heißt. Der Österreichische Gehörlosenbund (ÖGLB) veröffentlichte zwei Tage später zusammen mit dem Österreichischen Gebärdensprach-DolmetscherInnen und ÜbersetzerInnen-Verband (ÖGSDV) am 18. Juni eine gemeinsame Stellungnahme, in der sie ebenfalls Avatare kritisieren.
Verbal beruft sich dabei unter anderem darauf, dass die Österreichische Gebärdensprache (ÖGS) als Minderheitensprache und offizielles UN-Kulturerbe einen besonders schützenswerten Status hat. Er rät davon ab, „lebende, reale GebärdensprachverwenderInnen durch animierte Kunstfiguren zu ‚ersetzen‘.“ Diese würden bei hörenden Menschen den Eindruck verstärken, dass die ÖGS eine „künstliche“ Sprache sei. Ebenso seien sie „völlig unzureichende sprachliche Vorbilder für Kinder.“ Auf sprachlicher Ebene liefern sie außerdem inhaltlich eine „eindeutig mindere Qualität“, was „auf Kosten der gehörlosen SeherInnen“ ginge.
Dem Argument, dass Avatare preislich günstiger seien als echte Dolmetscher, hält Verbal entgegen, dass es sich bei dem Zugang zur ÖGS um ein Menschenrecht handelt, das man nicht mit Geld aufwiegen soll. Konkret wird dabei die Wiener Firma Simax genannt, welche 1,1 Millionen Euro Förderung erhalte, aber eine „kommerziell ausgerichtete Organisation“ sei, welche nichts zur Forschung und zum verbesserten Zugang zur ÖGS beitrage. So solle nicht zu Lasten der ÖGS-Förderung die Avatar-Forschung bevorzugt werden, weil man sich hier langfristig Ersparnisse erhofft. Der Verband schließt damit, dass Avatare grundsätzlich erstmal als „kontraproduktiv“ einzuschätzen seien.
In ihrer fundierten Stellungnahme berufen sich ÖGLB und ÖGSDV auf internationale Statements unter anderem des Gehörlosen-Weltverbands World Federation of the Deaf (WFD) und des europäischen Dachverbands European Union of the Deaf (EUD). Die WFD mahnt, dass eine automatisierte Übersetzung kulturelle und soziale Faktoren bei einer Verdolmetschung nicht einbeziehen kann. Die EUD wird deutlicher: Avatare sind für „nicht benötigte“, also nicht sofort wichtige Informationen durchaus vorstellbar. Als Beispiel wird der Wetterbericht genannt. In der Live-Notfallkommunikation etwa bei Katastrophen oder Notrufen könne nur ein menschlicher Dolmetscher angemessen die Kommunikation sicherstellen.
Daneben sehen sie wie Verbal das Risiko, dass gehörlose Menschen durch den Einsatz von Avataren zunehmend unsichtbarer werden könnten und Gebärdende nur als abstrakte Computerfiguren in der Öffentlichkeit sichtbar sind. Die gemeinsame Stellungnahme schließt mit zwei Kernforderungen: Zum Einen sollen die Gebärdensprache und Dolmetschausbildungen stärker gefördert werden, zum Anderen mehr „audiovisuell-digitale“ Medien verdolmetscht und übersetzt werden, aber „vorrangig“ von „echten Menschen.“
Bild: Screenshot Simax-Webseite